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Was ist ein ERP-Lastenheft?

21. November 2022

Lesezeit: 7 Min

Lastenheft ERP

COBUS ConCept

ERP Consultant, COBUS ConCept GmbH

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Das Lastenheft ist das zentrale Dokument für die ERP-Auswahl und Einführung eines ERP-Systems. Es hilft Unternehmen dabei, sich für die richtige Software zu entscheiden, die Zusammenarbeit mit dem zukünftigen ERP-Anbieter zu optimieren und eine erfolgreiche Implementierung sicherzustellen. Doch was genau steht in einem Lastenheft? Worin unterscheidet es sich vom Pflichtenheft? Und worauf kommt es bei der Erstellung im Einzelnen an? Dieser Ratgeber liefert alle wichtigen Fakten zum Thema.

ERP-Lastenheft Definition

Ein ERP-Lastenheft ist ein Dokument, in dem ein Unternehmen all seine Anforderungen an eine ERP-Software abbildet. Es beschreibt einerseits den aktuellen Zustand, andererseits die gewünschten Soll-Prozesse und Soll-Funktionen. Dies macht das Lastenheft zu einer wichtigen Unterlage für die ERP-Auswahl und die Ausschreibung. Es dient dem ERP-Anbieter als Basis für die Angebotserstellung. Zudem ist es die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber (Unternehmen) und Auftragnehmer (ERP-Anbieter).

Im Überblick werden mit dem ERP-Lastenheft folgende Ziele verfolgt:

  • Systematische Aufnahme der Anforderungen an das ERP-System
  • Strukturierte Dokumentation der Systemanforderungen
  • Erhalt aussagekräftiger Angebote von den Anbietern
  • Übersichtlicher, transparenter Angebotsvergleich
  • Auswahl des optimalen ERP-Systems für das Unternehmen

Was steht in einem ERP-Lastenheft?

Ein professionell aufgebautes Lastenheft enthält mindestens eine Beschreibung des Unternehmens und seiner Ziele, Informationen zur derzeitigen IT-Infrastruktur, die funktionalen Anforderungen an das ERP-System sowie einen Zeitplan. Hilfreich ist es für den potenziellen Auftragnehmer zudem, wenn das Marktumfeld, die Produkte und Dienstleistungen sowie Alleinstellungsmerkmale genannt werden. Denn hierdurch kann sich der Anbieter ein noch besseres Bild machen.

Hauptteil und Herzstück des Lastenhefts ist zweifelsohne die Beschreibung der Anforderungen an das neue ERP-System. Entsprechend sollte dieses Kapitel bei der Erstellung im Fokus stehen. Was den Inhalt betrifft, so sollte das Projekt-Team auf eine lösungsneutrale Formulierung achten. Das heißt: Es werden zwar alle Anforderungen, nicht jedoch deren technische Umsetzung beschrieben. Denn allzu detaillierte technische Anforderungen führen möglicherweise dazu, dass andere (bessere) Lösungsansätze der ERP-Software-Anbieter keinen Zugang erhalten. Möglicherweise würde ein potenziell interessantes ERP-System sogar gänzlich ausscheiden, nur weil es bestimmte Technik-Features nicht eins zu eins bieten kann. Selbstredend wäre das für den Erfolg des ERP-Projekts wenig förderlich.

Bei der Definition ihrer System-Anforderungen sollten Auftraggeber die Bedürfnisse aller Fachbereiche berücksichtigen. Diese werden im Optimalfall bereits vor dem Erstellen des Lastenheft in den Abteilungen abgefragt. Geeignete Formate sind Workshops und Prozessaufnahmen. Idealerweise beschreibt der Inhalt zudem nicht nur gewünschte Funktionen, sondern auch die angestrebten Soll-Prozesse.

Kurz: Ein Lastenheft stellt dar, welche Funktionen eine ERP-Software bieten muss, um für optimale Abläufe im Unternehmen zu sorgen. Die Beschreibung der technischen Lösung liefert hingegen der spätere Auftragnehmer (vgl. Abschnitt "Unterschied zwischen ERP-Lastenheft und Pflichtenheft").

Wer erstellt das ERP-Lastenheft?

Das Lastenheft wird stets durch den ERP-Kunden (Auftraggeber) erstellt. Denn nur er kennt seine eigenen Anforderungen. Allerdings erfordert die Erstellung ein gewisses Maß an ERP- und Projekt-Erfahrung im Software-Umfeld. Es sollten Personen mitwirken, die über dieses Know-how verfügen. Mangelt es in der eigenen Organisation an ERP-Expertise, können auch externe Berater für die Lastenheft-Erstellung hinzugezogen werden.

Wichtig zu wissen: Die ERP-Auswahl sollte keine Top-down-Entscheidung sein. Somit wäre es falsch, wenn beispielsweise IT-Verantwortliche das Lastenheft in Eigenregie erstellen. Vielmehr sollten die Fachabteilungen und späteren Endanwender von Beginn an in das Projekt und somit auch in die Lastenheft-Erstellung eingebunden werden. Geschieht dies nicht, besteht ein hohes Risiko, wichtige Anforderungen aus der Praxis zu übersehen und ein System zu kreieren, das auf wenig Akzeptanz stößt.

Das Abfragen der Wünsche in den Fachabteilungen sollte allerdings systematisch erfolgen. Denn eine Rundmail mit der Bitte, Vorschläge für die neue ERP-Software zu erstellen, führt nicht zum Ziel. Projekt-Verantwortliche erhalten in diesem Fall Ergebnisse in der Bandbreite vom nichtssagenden Zweizeiler bis hin zum 50-seitigen "Wunschzettel". Zudem wird die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit nur unzureichend berücksichtigt. Daher empfiehlt es sich, eine bewährte Methodik zu nutzen. Bekannt sind zum Beispiel folgende Ansätze:

  • Wertschöpfungsmethode: prozessorientierte Vorgehensweise, rückt Schnittstellen zwischen Abteilungen mit in dem Fokus
  • Pain-Point-Methode: Schmerzpunkte aller Abteilungen sammeln und priorisieren, Abteilung mit den größten Schmerzen in der im Auswahl-Projekt am stärksten gewichten.

Sinnvolle Gliederung des ERP-Lastenhefts

Eine sinnvolle Gliederung für ein Lastenheft kann beispielsweise folgendermaßen aussehen:

  1. Beschreibung des Unternehmens: Um welches Unternehmen handelt es sich?
  2. Produkte, Dienstleistungen und Marktumfeld: Was stellt der Betrieb her oder welche Services erbringt er?
  3. Stärken und Alleinstellungsmerkmale: Was macht das Unternehmen einzigartig?
  4. Aktuelle IT-Landschaft: Welche Systeme sind derzeit im Einsatz (inklusive Anzahl der Nutzer)? Welche Schnittstellen gibt es?
  5. Ziele: Welche langfristigen strategischen Ziele verfolgt der Betrieb? Wie soll ERP dazu beitragen, die Ziele zu erreichen?< /li>Anforderungen: Welche Prozesse und Funktionen werden benötigt (inklusive Reporting-Features und Schnittstellen)?
  6. Zeitplan: Wann soll das Projekt beginnen? Wann soll das ERP-System in den Live-Betrieb gehen?
  7. Ansprechpartner: An wen kann sich der ERP-Anbieter bei Fragen wenden?
  8. Natürlich ist diese Gliederung nicht in Stein gemeißelt. Sie kann beliebig angepasst werden, sodass sie optimal zum individuellen Projekt passt.
    Lastenheft ERP

    Beispiel Aufbau des ERP-Lastenhefts

    Beim Aufbau eines Lastenhefts kann zuvor skizzierte Gliederung als Hilfe dienen. Wichtig ist dabei, eine geeignete Informationstiefe zu finden. Dies gilt vor allem für das Kapitel "Anforderungen". Denn wer seine Wünsche zu oberflächlich beschreibt, wird zahlreiche Rückfragen erhalten. Zudem besteht das Risiko von Missverständnissen. Wer seine Anforderungen hingegen mit maximalem Detailreichtum abhandelt und dabei jede Eventualität berücksichtigt, erstellt ein Dokument, das für ERP-Anbieter kaum zu bewältigen ist. Daher ist es wichtig, einen ausgewogenen Detailgrad zu wählen. Hierbei können folgende Tipps helfen:

    • Prozesse und Anforderungen sollten so beschrieben werden, dass sie Außenstehende verstehen können
    • Unrealistische oder unnötige Funktionen sollten nicht aufgenommen werden
    • Details, die für die Erstellung des Angebots keine Rolle spielen, haben nichts im Lastenheft verloren
    • Standard-Funktionen eines ERP-Systems, die ohnehin jedes Unternehmen benötigt (zum Beispiel Rechnungsprüfung mit Bezug zur Bestellung), sollten nur kurz angerissen werden

    Was gehört nicht ins ERP-Lastenheft?

    Wie bereits kurz erwähnt, sollte ein Lastenheft ausschließlich Anforderungen, nicht jedoch die technische Lösung beschreiben. Denn für letzteren Part ist in jedem Fall der Auftragnehmer verantwortlich. Oder anders formuliert: Die Unterlage beschreibt nicht, wie eine ERP-Software funktionieren muss, sondern welche Funktionalität benötigt wird und warum. Weiterhin sollten Ersteller darauf verzichten, Nice-to-have-Features aufzunehmen.

    Unterschied zwischen ERP-Lastenheft und Pflichtenheft

    Die Begriffe Lastenheft und Pflichtenheft werden in der Praxis häufig synonym verwendet. Dies ist jedoch nicht korrekt. Es bestehen sogar große Unterschiede zwischen den beiden Dokumenten. Grob skizziert sind dies folgende:

    • Das Lastenheft beschreibt das Problem aus Sicht des ERP-Kunden. Es wird durch den Auftraggeber erstellt.
    • Das Pflichtenheft beschreibt die Problemlösung aus Sicht des ERP-Anbieters. Es wird durch den Auftragnehmer erstellt

    Das Lastenheft ist somit ein Instrument in der Auswahlphase des ERP-Projekts. Das Pflichtenheft kommt hingegen erst in einer späteren Projekt-Phase zur Anwendungen: Erst, wenn die Entscheidung für ein bestimmtes System getroffen ist, wird der Auftragnehmer durch den Auftraggeber darum gebeten, das Pflichtenheft zu erstellen. Dafür nutzt der ERP-Hersteller das Lastenheft und legt im Detail dar, wie er die dort enthaltenen Anforderungen technisch lösen wird.

    Das Pflichtenheft ist somit ein konkreter Plan für die Implementierung des zukünftigen Systems. Es spezifiziert die Software-Konfiguration durch den Auftragnehmer sehr präzise. Diese Eigenschaft macht es zur zentralen Arbeitsgrundlage in der Implementierungsphase des Projekts. Am Ende dient es außerdem der Abnahme durch den Auftraggeber. Nicht zuletzt ist ein Pflichtenheft meist Bestandteil des ERP-Vertrags zwischen Auftragnehmer und ERP-Kunde.

    Nutzen des ERP-Lastenhefts bei der ERP-Einführung

    Das ERP-Lastenheft hat bei der ERP-Einführung mehrere Vorteile. Zunächst hilft es dabei, sich bewusst zu werden, welche Anforderungen das künftige ERP-System überhaupt erfüllen muss. Seine Erstellung ist zudem ein guter Anlass, althergebrachte Geschäftsprozesse auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu optimieren. Weiterhin unterstützt das Lastenheft die ERP-Auswahl signifikant: Sein Inhalt ist eine wichtige Grundlage für das Einholen und Vergleichen von Angeboten. Auch dient es dem Software-Anbieter als Briefing, das es ihm ermöglicht, individuell auf die Kundenanforderungen einzugehen. Doch nicht nur vor, sondern auch während der Implementierungsphase ist das Lastenheft (neben dem Pflichtenheft) ein vorteilhaftes Werkzeug. Hier dient es als Nachschlagewerk für Rückfragen und auch zum Monitoring des ERP-Projekts.

    Allen voran reduziert das Lastenheft jedoch die finanziellen, organisatorischen und strategischen Risiken, die mit der Einführung einer neuen ERP-Software verbunden sind. Unternehmen sollten daher nicht auf die wichtige Unterlage verzichten, sondern sie als integralen Bestandteil des Projekts betrachten.